Predigt über Lukas 2,1-20 zu Weihnachten 2023
von Pfr. Gerd Krumbiegel
Liebe Gemeinde,
Weihnachten ist eine geheimnisvolle Zeit. Und Weihnachten ist eine Zeit, in der die Menschen auf die Suche gehen. Die Kinder hoffen auf Antwort auf ihren Wunschzettel oder auf ihren Brief an das Christkind. Und nicht auszudenken was passiert, wenn die Antwort anders ausfällt als erwartet. Man kann sich das richtig vorstellen [oder mag es sich gar nicht vorstellen]: Das Glöckchen erklingt zur Bescherung und Heinzchen stürzt durch die Tür des Wohnzimmers auf die Päckchen zu; er tastet sie einzeln ab, reißt das Papier auf, sitzt dann einen Augenblick lang wie benommen da, starrt auf die Geschenke und fängt an laut zu heulen: ich will keinen selbstgestrickten Pullover, ich will ein Smartphone oder wenigstens einen neuen 4K Monitor für meinen PC haben! Und das soll Weihnachten sein? Nein! ruft Heinzchen und rennt schmollend raus. – Ich hoffe, die Bescherung verlief bei Ihnen anders! – Ja, wenn Weihnachten nicht so aussieht, wie sieht es denn dann aus?
Auch in der Weihnachtsgeschichte gibt es viele Menschen, die auf der Suche sind. Und ihre Suche endet auch ganz unerwartet: Maria und Josef kehren zur Volkszählung in ihr Heimatdorf zurück – so wie auch viele Waltersdorfer und Großschönauer..., die weit weg Arbeit gefunden haben und dort mittlerweile leben, zu Weihnachten nach Hause zurückkehren. – Aber Maria und Josef finden kein freies Zimmer, sondern nur einen windschiefen Stall. – So sieht Weihnachten aus: Weihnachten ein Zeugnis der Armut; und Gott mittendrin.
Da sind auch die Hirten. Arm wie sie sind, müssen sie um ihr tägliches Brot kämpfen. Sie sitzen hier in der Provinz fest; seit Jahren geht der Trend in Richtung Stadt. Wer etwas aus sich machen will, schnürt sein Ränzlein und geht nach Jerusalem, Hamburg oder München. Die Hirten aber können oder wollen nicht fort. Stattdessen singen sie ihr immerwährendes altes Lied: Das Lied der Vergessenen. Sie schauen in den Nachthimmel und singen: „Ist da draußen irgendwer, der unsre Namen kennt? Für den wir nicht vergessen sind?“(1) Aber die Antwort des Engels kommt ganz unerwartet: Gottes Sohn kommt in einem Dorf zur Welt, also – man höre und staune – im ländlichen Raum. Und siehe plötzlich sind die Vergessenen nicht mehr vergessen. – So sieht Weihnachten aus: die Vergessenen sind nicht mehr vergessen.
Auch die drei Weisen aus dem Morgenland sind auf der Suche; Ich stelle sie mir vor als Gelehrte, die die großen Zukunftsfragen bewegen: Wie soll es weitergehen mit unserer Welt? Wieviel Teuerung kommt übers Land? Findet der Krieg ein Ende, und wieviele Konflikte werden neu beginnen? Welche Rohstoffe werden knapp? Und der Rohstoff Hoffnung: Welche Hoffnung können wir noch haben? Die drei Weisen suchten Antwort auf die Zukunftsfragen. Was sie fanden war ein Weg-Weiser-Stern; ein Zeichen, das ihnen den Weg zum neuen König zeigte. Wenn einer Rat und Antwort weiß, dann ER. Wenn einer der Sinnlosigkeit und dem Leiden Einhalt gebieten kann, dann dieser König.
Aber als sie den weiten Weg endlich geschafft haben, da reiben sie sich ungläubig die Augen. Denn sie stehen nicht vor einem Palast, sondern vor einem muffigen Stall. Da gibt es keine Diener, nur Ochs und Esel. Und das Kind ist nicht in Samt und Seide gewickelt, sondern in einen Futtertrog gelegt. Kein Königskind, sondern ein Armeleutekind; ein Allerweltskind, ein Kind für alle Welt – So sieht Weihnachten aus: Gottes Kind für alle Welt.(2)
Gunther Emmerlich beschrieb bei seinem letzten Fernsehauftritt eine seiner Weihnachtserinnerungen so: „Wenn ich mich so zurück erinnere, wir sind mal zu Weihnachten Anfang der 50er Jahre, weil es hieß, es kommen Züge aus Russland mit Kriegsgefangenen – und wir haben ja auf meinen Vater gewartet – und dann sind wir nach Jena zum Saalbahnhof gefahren und meine Mutter und ich, die schon krank war, wir hatten ein Schild, und da stand drauf: Weiß jemand etwas von Walter Emmerlich? – Das ist mein Vater gewesen. – Und wir sind nicht fündig geworden. Wir sind dann über den Nord-West-Deutschen Rundfunk, da gab es einen Suchdienst, da haben wir einen Kriegskameraden meines Vaters in Hamburg ausfindig gemacht.“
Die Suchaktion der Familie zu Weihnachten, die alles unternimmt, um den Mann und Vater wiederzufinden. Im Grunde geschieht genau das an Weihnachten von Gottes Seite aus; nicht nur an Weihnachten aber hier besonders. Mit der Weihnachtsgeschichte hält Gott das Schild hoch, auf dem mein und dein Name steht: „Weiß jemand etwas von Gerd? Von Siegrun, von Michael, von Kevin, von Christa, von Paula…? Weihnachten heißt, Gott hört nicht auf, uns zu suchen. Und anders als es den Emmerlichs möglich war, wartet Gott nicht auf dem Bahnhof des Lebens bis der Zug des Zufalls uns irgendwann anspült, sondern er steigt in den Gegenzug und fährt an den Ort, der uns so oft durch seine Rätselhaftigkeit gefangennimmt, Gott kommt ins Dunkel dieser unheimlich gewordenen Welt. Er kommt, um dich und mich zu finden.
Als wir in der Großschönauer Feuerwehr vorgestern die vielen Ereignisse der letzten Wochen(4) besprochen haben, und wie man das alles einordnen soll; da stand ein Kamerad vom Spielmannszug auf und sagte: Weihnachten heißt für mich, dass Gott Mensch geworden ist. Gott hat sich dabei nicht gescheut in den Dreck und Muff eines Stalles zu kommen und sich in eine Futterkrippe zu legen. Und wenn Gott dorthin geht, wo es schmutzig ist und stinkt, dann kommt er auch in Mist, den ich angestellt habe und in das Dunkel meines Lebens und nimmt mich trotzdem an. Und ich darf hinzufügen: Weihnachten ist die große Such- und Rettungsaktion Gottes nach dir und mir. Ob Gott fündig wird? Wenn du nicht mehr unter leerem Himmel Glauben und Leben möchtest, dann öffne ihm Tür, nimm ihm das Suchschild ab und gib ihm Raum in deinem Leben. So wie wir es gleich singen: "Er ist der Herr Christ unser Gott, der will euch führ´n aus aller Not, der will euer Heiland selber sein, von allen Sünden machen rein." (EG 24,3)
So sieht Weihnachten aus! Amen.
Verwendete Literatur:
(1) Rostenstolz, Lied von den Vergessenen von 2012, abrufbar unter: https://www.songtexte.com/songtext/rosenstolz/lied-von-den-vergessenen-2396908f.html (Letzter Abfruf: 27.12.23)
(2) Vgl. Rüdiger Lux, Ganz der Vater. Predigt zu Jesaja 9,5, in: Ders., Schild Abrahams. Schrecken Isaaks, 105-118 (hier S. 106f)
(3) Gunther Emmerlich bei seinem letzten Fernsehauftritt am 15.12. in "Riverboat". Letztes Abrufdatum: https://www.ardmediathek.de/video/riverboat/gunther-emmerlich-sein-letzter-auftritt-im-riverboat/mdr-fernsehen/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9iNWQ3YjU3YS0wZDE2LTRkZTUtODZlMC03ZThjNmU5MTgzZTA
(4) Die Bemerkung bezieht sich auf eine - nach einem für die Freiwillige Feuerwehr ohnehin einsatzreichen Jahr - Zeit, die gegen Ende 2023 noch einmal viel Kraft forderte und auch Menschen das Leben kostete: 26.11.23 Hausbrand in Großschönau gleichzeitig zum Gottesdienst zu Totensonntag, 16.12.23 vier brennende PkW in einer Neubausiedlung Großschönaus, für deren Löscheinsatz die Freiwillige Feuerwehr ihre Weihnachtsfeier abbrechen musste; 17.12.23 Explosion in einem Mehrfamilienhaus mit Personen- und Sachschaden.
Ev.-Luth. Kirchgemeinde Großschönau Hauptstr. 55 02779 Großschönau Tel: 035841/ 35776 Fax: 035841/ 67715 Email: kg.grossschoenau@evlks.de Pfarrer Gerd Krumbiegel Tel. 035841/ 67716 Pfarrerin Christin Jäger
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