Das Warten der Gerechten wird Freude werden. (Sprüche 10,28)


Was uns der zornige Johannes sagt

Predigt am Johannistag 2024 in Großschönau über Matthäus 3,1-12
von Pfr. Gerd Krumbiegel (unter besonderer Verwendung zweier Predigten von Arno Schmitt und Jörg Prahler)

Liebe Johannistag-Gemeinde,
Johannes der Täufer bleibt für mich eine faszinierende Gestalt. Das fängt schon bei seiner Personenbeschreibung an: "Johannes der Täufer. Kein Mensch der Stadt. Keiner, der sich an Etikette oder Umgangsregeln hielt. In der Wüste war er zu Hause. Als Einsiedler oder in einer Mönchsgemeinschaft mit strengen Regeln. Danach wohl zog er ins Steppengebiet, am südlichen Jordan. An seinem Äußeren war ihm nicht viel gelegen. Struppige Haare, struppiger Bart, Kamelhaargewand, Ziegenhautgürtel. Seine Nahrung? Heuschrecken und wilder Honig. Seiner Zeit weit hinterher, oder weit voraus, wie man´s nimmt. »Seltsamer Kauz!«, so dachten die einen. »Gefährlich«, so sagten die anderen. Die Leute strömten, wenn er predigte. Er sagte: „Die Zeit sei gekommen! Für die meisten würde es ein Ende mit Schrecken sein! Nur wenige würden dem Gericht entkommen! Kehrt um und lasst euch taufen!“(1, S.109f)

"Ein Feuerkopf, dem es um die Wahrheit ging. Für ihn war klar: Auf die Gassen muss die Wahrheit, auf die Plätze und Märkte, sie darf sich nicht hinter Mauern verstecken! Und das auch und gerade, wenn es sich um die Angelegenheiten der Großen und Mächtigen handelte. Da waren auch der König und seine Privilegierten nicht vor seiner Scharfzüngigkeit sicher, auch die Tempelherren nicht!
  Das Halbe, das Ungefähre, Johannes mochte es nicht! Wenn sich Leute hinterher rausreden: Sie hätten es so nicht gesagt oder doch ganz anders gemeint; das, so Johannes, gilt bei Gott nicht!
Freunde würde er sich so keine machen, das wusste er. Und eines Tages könnte es für ihn höchstgefährlich werden, das wusste er auch. Die Wahrheit hat ihren Preis! Wie kann man schweigen, wenn Gott spricht!? Johannes gehörte zu den Propheten. Und Propheten rechnen anders."(1, S.109f)
  
Trotzdem oder gerade deswegen kommen die Menschen in Scharen zu ihm. Warum? Johannes ist ja nicht nur rein äußerlich ein Aussteiger und seltsamer Kauz, sondern er ist ein zorniger Mann. Nicht nur die religiösen Führer hat er angefaucht: „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?“
  
Was macht Johannes so erfolgreich? Und könnten wir als Kirche, die wir immer zur „lieben Gemeinde“ sprechen, uns davon etwas abschauen? Unsere wohltemperierten Predigten, bei denen viele freundlich-zustimmend nicken, sie machen unsere Kirchen ganz offensichtlich nicht voller. Sollte ich es also einmal unrasiert, schlecht gekleidet und mit Zorn probieren, wie Johannes?
  "Nun, Johannes ist nicht nur zornig, sondern er hat auch recht. Und das ist eine starke Kombination."(2, S.103) Was er sagt, denkt er sich nicht selbst aus, sondern er erspürt es von Gott. Und wo Gericht angekündigt wird, da muss zum richtigen Inhalt auch die Form passen, der Zorn.
   Zorn deshalb, weil zur Zeit von Johannes dem Täufer Israel ein Land voller Ungerechtigkeiten war. Ungerechtigkeit, die Gott nicht kalt lässt. Parallelen zu heute mag jeder selbst ziehen. "Viele von Johannes´ Landsleuten machten mit den Römern gemeinsame Sache. Oder sie verhielten sich still, damit sie keine Nachteile zu erleiden hatten. Derweil ging das Land vor die Hunde, und die Menschen wurden ausgenommen wie die Weihnachtsgänse. Gerade die Armen und die einfachen Leute hatten zu leiden.
  Wahrscheinlich erkannten viele wie Johannes, dass es so nicht weitergehen konnte. Wahrscheinlich beklagten viele wie Johannes, dass die Menschen sich nicht mehr nach Gottes Willen richteten, sondern sich einer falschen Lebensweise angepasst oder sich zumindest irgendwie arrangiert hatten."(2, S.103) Doch diese Unzufriedenheit hatte offenbar nur Wut und Wutbürger produziert. Was tut die Wut? "Wütende Menschen plustern sich auf und stoßen Stühle um, bis ihre Wut verraucht ist, aber geändert hat das nichts."(2, S.103)
  
Doch der Zorn des Johannes hat eine Richtung; er ist gepaart mit dem Ruf zur Umkehr zu Gott, und das hat gewirkt. Johannes wird so zu einem großen Propheten. Ein heiliger Zorn schärft seine Worte. Und damit erreicht er schließlich die Menschen und kann in ihnen was bewirken.
  "Johannes dringt zu denen durch, die ihm nahe stehen. Und ebenso zu denen, die er mit am heftigsten kritisiert. Denn wer das Falsche tut, der ist ja nicht unbedingt glücklich damit. Womöglich plagt ihn längst ein schlechtes Gewissen. Oder er weiß nicht recht, wie er vom falschen Weg wieder zurückkann. Johannes reißt viele Menschen mit. Bringt sie zum Nachdenken. Lässt in ihnen den Wunsch wachsen, ein anderes Leben zu führen.
   Denn natürlich ist es bitter zu erkennen, dass du in deinem Leben Mist gebaut hast. Aber noch bitterer ist es doch, diesen Mist einfach weiterzumachen. Da sind Reiche, die nicht mehr einfach nur zugucken wollen, wie Menschen um sie herum verhungern und sozial erfrieren. Da sind Zöllner, die keine betrügerischen Unmenschen mehr sein wollen. Soldaten, die den Geruch des Blutes Unschuldiger auf ihren Kleidern nicht mehr ertragen können und die Bilder der Gräueltat nicht mehr aus den Köpfen kriegen.
   All diese Menschen spricht Johannes an. Mit einer Wucht, die sie umhaut. Die vor allem ihre verlogenen Entschuldigungen und Schönrednereien aus dem Weg räumt. Erst so kann sich etwas ändern. Der Zorn des Propheten wird zum Segen."(2, S.103f)

Und da wird eine zweite Frage wach.
Neben die Frage, WIE wir als Kirche und als einzelne verkündigen sollen, nämlich:
  ehrlich statt schmeichelnd,
  mit Freimut statt mit Menschenfurcht,
  mit Gottes Wort statt mit Wunschdenken.

Neben die Frage des WIE tritt die Frage des WAS; was sollen wir einer ebenso satten wie hungrigen Gesellschaft verkündigen, welches Wort in die ebenso aufgeheizte wie gleichgültige Stimmung sprechen?
  Johannes würde sagen: Du sollst dein Leben ändern! Richte dich neu auf Gott aus! Und dafür gibt er den Menschen ein Zeichen mit. Die Taufe.
  Was geschieht da? "Nun, es heißt: Ein Mensch kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Das Wasser fließt weiter, alles verändert sich. Der Fluss ist schon nach einer Sekunde nicht mehr derselbe. Das Wasser ist weitergezogen, neues Wasser ist herangeflossen. Darum ist der Fluss ein Sinnbild für Veränderung. Das gilt für die Mandau genauso wie für den Jordan.
  Deshalb reinigten die Juden sich mit fließendem Wasser. Deswegen ist Johannes nicht nur der Rufer in der Wüste, sondern auch der Täufer am Fluss. Und deshalb ruft Johannes die Menschen zum Jordan: Dein altes, verkehrtes Leben wird von dir abgewaschen und wird mit dem Flusswasser weggetragen auf Nimmer-Nimmer-Wiedersehen. Und ein neuer, geläuterter Mensch steigt aus dem Fluss; bereit mit Gott zu leben. Anders als er kam, kehrt der Mensch ans Ufer zurück. Ein radikaler Schnitt. Ein wirklicher Neuanfang."(2, S.104)
  
Das ist bei unserer Taufe geschehen. Und das möchte immer neu in unsere Gegenwart gezogen werden, Taufe will erinnert werden. Und dafür braucht es Rituale und Formen.
  Ein Kollege erzählt aus seiner Kindergartenzeit. Er hatte etwas ausgefressen und seine Mutter schleppte ihn zur Kindergärtnerin, damit er sich entschuldige. Das tat er auch und die Kindergärtnerin nahm die Entschuldigung an, indem sie folgendes tat: Sie nahm einen Schwamm und wischte damit über den Tisch: „So, jetzt ist das alles weggewischt!“ Was unsichtbar passierte, wurde sichtbar. Er ging beruhigt nach Hause.(2, S.104f)
 
Es braucht den Johannistag, es braucht Rituale, die uns den Neuanfang mit Gott sichtbar machen, es braucht eine Form, das Alte, gerade auch die Schuld, hinter sich zu lassen um frei zu werden, frei zu werden und durch Gottes Vergebung und leichten Fußes weiter zu gehen.
  Es braucht eine lebendige Erinnerung an die Wirklichkeit unserer Taufe, unserer Verbindung zu Gott. Da ist schon der Johannistag selbst. Das kann dann auch die Urlaubszeit sein, die den gewohnten Gang unterbricht und wo wir den Gedanken an Gott nicht wegschieben, sondern bewusst zulassen. Das kann der Sprung ins Seewasser sein, und danach das erfrischte Einhüllen ins Badetuch, das zur Erinnerung wird: du bist getauft; Gott schenkt dir Leben.
  Und so ist der Zorn des Johannes letztlich die Kehrseite der Liebe, mit der Gott dich und mich sucht. Und so lautet die Botschaft des Johannistages: Solange du nicht anfängst, mit Gott aufzuhören, solange hört Gott nicht auf, mit dir anzufangen.
Amen.

Verwendete Literatur:
(1) Arno Schmitt, Der dort. Gottesdienst an Johannis (Gedenktag Johannes des Täufers), in: Christian Schwarz (Hg.), Sommergottesdienste, S. 107-113.
(2) Jörg Prahler. Der zornige Täufer. Predigt über Lk 3,2f7-18 im Taufgottesdienst an der Elbe, in: Christian Schwarz (Hg.), Sommergottesdienste, S. 101-106.
(3) Der letzte Satz der Predigt ist ein abgewandeltes Zitat von Cicero (106-43 v.Chr.). Das Original lautet: "Fang nie an aufzuhören, hör nie auf anzufangen."

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