Wer im Finstern wandelt und wem kein Licht scheint, der hoffe auf den Namen des HERRN! (Jesaja 50,10)


Suche nach Gottesbegegnung

Predigt vom 30.1.2022 zu 2.Mose 34,29-35 - von Pfr. Gerd Krumbiegel

Liebe Gemeinde,
eine Gottesbegegnung, das suchen viele von uns; eine Gotteserfahrung, das wünschen wir uns; wo die Unsicherheit dessen, was man eben nur glauben kann, einmal von uns abfällt; wo die Zweifel verfliegen und wo Klarheit herrscht; Eindeutigkeit und unverstellte Gottesnähe. Und davon erzählt die heutige Lesung: Jesus, dessen Angesicht wie die Sonne glänzt und Petrus, der diesen Moment festhalten will und Hütten bauen und sich darin einrichten will.
   Jesus hat den drei Jüngern geboten, von ihrer Gottesbegegnung zu schweigen. Doch wird man ihnen nicht angesehen haben, dass da etwas Außerordentliches passiert war auf dem Berg? War das eventuell ein Schutz für die drei, weil Jesus wusste, je näher die Gottesbegegnung, desto weiter bleiben die Worte dahinter zurück und je größer die Gefahr zu zerreden, was man erlebt hat. Erst im Licht der Auferstehung wird deutlich, was hier eigentlich geschehen ist.

   Nun, liebe Gemeinde, man wird es den Dreien angesehen haben, dass da etwas geschehen ist. Unser heutiger Predigttext erzählt ebenfalls von einer Gottesbegegnung und der Auswirkung, die sie nicht nur auf den einen hat, sondern auch auf die anderen, die merken, dass da etwas Großes geschehen ist. Wir hören Worte aus dem 2. Buch Mose:
   Und Mose war allda bei dem Herrn vierzig Tage und vierzig Nächte und aß kein Brot und trank kein Wasser. Und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte. Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte. Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänz­te, fürchteten sie sich, ihm zu nahen. Da rief sie Mose, und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaron und alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen. Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der HERR mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai. Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht. Und wenn er hineinging vor den HERRN, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.

Liebe Gemeinde,
unser Abschnitt gibt uns viele Fragen auf und er ist sparsam mit Antworten. Und unser Abschnitt steht nicht für sich, sondern ringt zusammen mit den Versen davor um die Frage: Wie ist es möglich, Gott zu begegnen? Zwei Antworten werden zuvor schon gege­ben: Von Mose, der in die Stiftshütte ging, heißt es im Kapitel zuvor: „Der Herr aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde.“(33,11) So kann Gottesbegegnung aussehen, freilich wird sie so nur Mose zuteil. Und solche Gottes­begeg­nung, solche Vertrautheit, solch direkte Weg­weisung von Gott zu bekommen, das ist eben eine tiefe Sehnsucht in uns.
  Wäre da nicht der zweite Teil der Antwort, wie es möglich ist, Gott zu begegnen. Wenige Verse später äußert Mose eine schon anmaßende Bitte: Und Mose sprach zu Gott: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen.“ Gott antwortet darauf: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“(33,18.20)
   Das sind die beiden Antworten, die vor unserem Abschnitt gegeben werden. Und dabei möchten wir uns nicht daran stören, das Hebräisches Denken auch Gegensätze umfasst. Dort, wo wir Wahrheit suchen, indem Gegensätze aufstellen um einen der beiden auszuschließen, da benennt jüdisches Denken Gegensätze um das Feld der Wahrheitssuche abzustecken. Und so geht in unserem Text die Suche nach Gott selbst, weiter und erfährt eine dritte Antwort:
   Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
   Zwei Dinge leuchten hier auf: "Mose ist dem Glanz Gottes am Berg Sinai begegnet. Dem Urglanz Gottes. Dieser Glanz ist wie ein Zeichen für das, was wir suchen. In unserer Wüste und inneren Leere, in aller Irrsal und Wirrsal, in Trubel und Überfülle. In alldem ist da die Suche nach den Spuren Gottes in unserem Alltag; Irgendwo muss doch ein Rest dieses Gottesglanzes zu finden sein!; ein Rest Glanz des siebenten Schöpfungstages, der Glanz des Sinai und des Ostermorgens. Wenigstens ein Rest des Glanzes zwischen den zerbrochenen Träumen, den vertanen Chancen, der angeschlagenen Gesundheit, in der Wüste des Miteinanders, in der Zerrissenheit unserer Zeit." Gott, wo ist dein Glanz, der all das aufhebt und wieder zusammen­bringt? (2, S. 55)
   Zugleich ist da die andere Seite: Als aber Aaron und alle Israeliten sahen, dass die Haut seines Angesichts glänz­te, fürchteten sie sich, ihm zu nahen.
   Wenn Aaron und das Volk sich fürchten, weil sie den Abglanz Gottes auf dem Gesicht des Mose nicht ertrugen, um wieviel mehr würden wir uns fürchten beim Anblick von Gott selbst! Hier ist ein wichtiger Hinweis darauf bewahrt, was Gottesbegegnungen auch sind: nämlich bedrohliche Grenzer­fahrungen. „Weh mir, ich vergehe!“, sagt Je­saja, bei seiner Gotteserfahrung (Jes. 6,5). Unsere Zeit aber verharmlost Gott, zähmt und domes­tiziert ihn. "Wir verkündigen die Vertrautheit ihm gegenüber; er ist der gute Vater, die tröstende Mutter, der mitreisende Bruder; er versteht uns, er liebt uns, er vergibt uns, er atmet uns, er ist die pure Zärtlichkeit. Da braucht niemand mehr vor ihm zittern und die Schuhe auszuziehen und das Gesicht verhüllen. Nach all den positiven Aufzäh­lungen über Gott, da stellt sich ein Gefühl ein wie nach der Weihnachts­zeit, in der man zu viel Spekulatius und Zuckerguss gegessen hat und wieder Ver­langen nach etwas Herz­haftem bekommt." (1, vgl. S. 84f)
   So hören wir von der Furcht des Volkes und spüren, dass Gott kein Masseur unserer Seele ist und eine Begegnung mit ihm nicht ein plätscherndes Wellnessangebot für die Seele. Wir kennen dieses eigene innere Ausweichen vor Gott die Woche über. Könnte der Grund dafür nicht darin liegen, dass wir im Tiefsten unserer Seele eine Begegnung mit Gott letztlich doch fürchten? Wir haben Angst, was da geschehen könnte in uns, in der Begegnung mit ihm, welche Lawine ungelöster und aufgeschobener Probleme da ins Rollen käme.
Und sie fürchteten sich, ihm zu nahen.
  Wenn also mein Wunsch nach einer Gottesbegegnung etwas taugen soll, dann muss ich mich fragen: Bin ich wirklich bereit, mir von Gott Dinge sagen zu lassen, die mir nicht passen? Bin ich bereit die schmerz­li­chen und wohlgehüteten Wahrheiten meines Lebens aufdecken zu lassen? Bin ich bereit, auf Wege geschickt zu werden, die nicht meine sind? Bin ich bereit, mein Herr-Sein im eigenen Haus zu beenden und Gott wirklich Gott sein zu lassen in meinem Leben?
Und sie fürchteten sich, ihm zu nahen.
  Und mit einem Mal ahnen wir, dass die Decke, die Mose auf sein Haupt legt, auch Gnade ist. Wir ahnen, dass wir es mit unserem Menschsein in dieser alles durch­dringenden Gottesgegenwart nicht ununter­brochen aushalten würden. Und so schafft die Decke zwar Abstand, aber damit auch die Freiheit, Gottes Nähe frei zu suchen, kleine Schritte auf ihn zu zu gehen und sich finden zu lassen.
  Gleichzeitig mögen wir wissen: Es ist nicht alles Gott, was glänzt. (3, S.135) In ihrem Wunsch danach dass Gott sichtbar wird, hatten die Israeliten das goldene Stierbild gegossen. Glänzend und ihrem Bild von Gott würdig und letztlich doch eine Form der Selbstbestätigung und ganz am lebendigen Gott vorbei. Es ist nicht alles Gott, was glänzt, und auch das nicht, was und wer vor uns glänzen und unsere Aufmerksamkeit erheischen will. - Und hier ist ein deutlicher Unterschied zu Mose: Er geht nicht auf den Gottesberg um zu glänzen, als er wieder­kommt, bekommt er es selbst nicht einmal mit, dass seine Haut glänzt(4). Men­schen aber, die mit ihren Gottesbegegnungen vor anderen glänzen wollen, verdienen unsere Skepsis. Oft genug sind es die Unscheinbaren, die etwas von Gottes Glanz widerstrahlen, ohne es zu wissen: Da ist die alte Dame im Hospiz, in äußerlich schlechter Verfassung, doch in der Gewissheit, wohin sie gehört, da leuchten ihre Augen mehr als die des 18-Jährigen, der in seinem ersten eigenen Auto sitzt. Und da ist der gebrechliche Mann, den ich besuche, um ihm Kraft zu geben, und als ich heimgehe, nehme ich mehr Segen mit, als ich selber zu geben hatte. Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.
  Und ja, es gibt Menschen, die sind Gott näher als andere; zwar nicht in dem Sinne, dass Gott den einen mehr liebt als den anderen, aber doch so, dass er Menschen unterschiedlich gebraucht. Und wer sich wünscht, wie Mose vor Gott zu stehen, der mag auch die Einsamkeit bedenken, die in dieser Funktion liegt. Mose mit dem Glanz im Gesicht, niemand traut sich nahe an ihn heran, wenn dann nur mit einer Decke über dem Haupt. – Auch das ein Hinweis, sich Gottes Nähe nicht nur einfältig zu wünschen, sondern sich die Tragweite bewusst zu machen.
   Nun möchte ich uns keine Angst vor Gott machen, nur im guten Sinne Ehrfurcht. Seit der Begegnung Gottes mit Mose ist viel geschehen. Das Eine ist: Christus ist gekommen, dessen Angesicht leuchtete wie die Sonne (Mt 17), und das hat ja für Petrus die Bitte ausgelöst, da bleiben zu dürfen, also keine Fluchtgedanken. Ein Konfirmand hat einmal gesagt: „Jesus ist Gott so, dass die Menschen ihn ertragen.“ (2, S.56). Bei ihm können wir uns bergen, wenn uns die Herrlichkeit Gottes zu viel für uns scheint. Er deckt uns im Schatten seiner Gnade, damit Gottes Glanz uns erleuchtet ohne uns zu verbrennen.
   Und da sind wir bei der dritten Antwort, der Antwort unseres Textes auf die Frage: Wie können wir Gott begegnen? Unser Text sagt, wir begegnen Gott durch Menschen, die ihrerseits Gottes Nähe erlebt haben und diese Nähe dann mit uns teilen; so wie Gott den Israeliten zugänglich wird, indem er Mose begegnet und so zu ihnen redet. Wir mögen einander auf Gott hinweisen, wo wir ihn erfahren haben. Wie das geht, mag folgende Begebenheit deutlich machen:
   Im Religionsunterricht fragt die Lehrerin: "Wer von euch kann mir sagen, was ein Heiliger ist?" Da war großes Schweigen in der Klasse; doch ein Junge erinnert sich, wie er am Tag zuvor in der Kirche saß. Von außen sahen die Fenster dreckig und dunkel aus, doch als er drinnen saß, da fiel das Licht von außen durch das Buntglasfenster auf dem St. Martin zu sehen war, und leuchtete. Und der Junge meldet sich und sagt: „Ich weiß es, ein Heiliger, das ist ein Mensch, durch den die Sonne scheint.“(5) Wir könnten für uns noch mehr zuspitzen: Ein Heiliger ist ein Mensch, durch den die Sonne der Gnade Gottes und der Gottesbegegnung scheint – solche Heilige möchten wir sein, und zwar ganz unverdeckt.
  Amen.

Verwendete Literatur: (1) Fulbert Steffensky, Heimathöhle Religion, S. 84-88. (2) Gerhard Engelsberger: Was Menschen suchen. Gottesglanz im Alltagsstaub, in: Pastoralblätter 1/2022, S. 54-59. (3) Jan-Dirk Döhling: Worte, die von Gottesfeuer leuchten, in: Göttinger Predigtmeditationen, 76. Jahrgang, Heft 1, S. 132-140. (4) Andreas Müller, Letzter Sonntag nach Epiphanias, in: Er ist unser Friede. Lesepredigten, S. 109-115. (5) Willi Hoffsümmer, Kurzgeschichten Bd. 6. 155 Kurzgeschichten, Grünewald-Verlag 2000, S. 143f.

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