Jakob nannte die Stätte, da Gott mit ihm geredet hatte, Bethel, - Haus Gottes. (1.Mose 35,15)


Das Geschenk der fremden Äpfel

Predigt zum Buß- und Bettag in Waltersdorf über Lukas 13,6–9
von Pfr. Gerd Krumbiegel

Liebe Gemeinde,
unser heutiger Predigttext ist ebenso kurz wie unbequem. Zugleich verbirgt sich unter der rauen Oberfläche eine gute und lebenswichtige Botschaft. In Lukas 13 heißt es: „Jesus sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, drei Jahre komme ich und suche Frucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dieses Jahr, bis ich um ihn grabe und in dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab.“

 

Liebe Gemeinde,
es ist ein herausforderndes Evangelium, eines an dem man sich reiben kann und womit man seine Probleme hat. Da ist der Besitzer des Weinberges. Er ist offenbar ein harter und rein geschäftsorientierter Mann. Was keinen Nutzen bringt, muss weg. Profit ist ihm wichtig. Erst die Frucht und das Produkt gibt dem Feigenbaum seine Daseins­berechtigung.
  Und da ist diese andere Stimme, die des Weingärtners. Dieser wirbt darum, den Baum zu erhalten und ihm eine Chance zu geben: Gib ihm noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge. Der Weinberggärtner spricht wie einer, dem der Baum wichtig ist, ja, der diesen Baum liebt. Denn sein Handeln bringt ihm nichts. Denn bringt der Baum doch noch Früchte, muss er sie abliefern, bringt er keine, hat er sich umsonst ins Zeug gelegt.(1)
  Und da ist schließlich der Feigenbaum selbst. Er bringt auch nach drei Jahren noch keine Frucht. Er sorgt für Enttäuschung; er sollte doch Frucht bringen, denn er steht doch auf einem der fruchtbarsten Stücken Land in Israel, nämlich in einem Weinberg. Warum bringt er keine Frucht? Darauf bekommen wir hier keine Antwort.
   Liebe Gemeinde, ich habe ein Apfelbäum­chen in unserem Garten stehen. Gleich im ersten Jahr, als ich es gepflanzt habe, da brachte es drei Äpfel. Seitdem aber, seit 5 Jahren, fand ich keine Äpfel mehr daran. Ich habe das Bäumchen kritisch beobachtet, es schien kaum zu wachsen und auch die Größe der Krone nahm nicht zu. Fehlte dem Baum etwas? Dieses Jahr dann war die hochstielige  Goldparmäne – so sein klangvoller Name – doch endlich gewachsen. Es scheint als hätten die Wurzeln endlich den Weg durch die darunter liegende Lehmschicht ins Tiefere gefunden. Ich habe die Hoffnung auf Äpfel nicht aufgegeben. Doch selbst wenn er keine bringen würde, könnte ich ihn nicht umhauen, habe ich ihn doch zum 40. Geburtstag geschenkt bekommen.
  Die Geschichte vom Feigenbaum ohne Frucht stellt uns hier eine Frage: Wie gehen wir um mit Dingen, Menschen und Beziehungen, die den Nutzen, den wir uns davon versprechen, nicht bringen? Wie gehen wir mit dem um, was unsere teils ja ganz zu Recht bestehenden Erwartungen nicht erfüllt? Dann werden sicher auch in uns diese beiden Stimmen wach, einerseits das: „So hau ihn um! So brich es ab! So mach ein Ende.“ Und andererseits das: „Gib ihm noch ein Jahr! Lass ihr Zeit! Hab Geduld!“
   Es ist kein Zweifel, dieses Gleichnis wird nur aus einem einzigen Grund erzählt, näm­lich wegen der Bitte des Gärtners.(2) Hätte der Gärtner ausgeführt, was der Weinberg­be­sit­zer von ihm wollte, hätte man die Ge­schichte nicht weitererzählen brauchen, sondern man hätte genug Anschauungsunterricht im all­täg­lichen Leben dafür gehabt, wo Menschen nach dem Motto leben: Was bringt mir das? Was nutzt mir das? Wo Menschen Beziehun­gen wegwerfen, weil die Bilanz von Aufwand und Nutzen nicht mehr stimmt und wo­anders mehr für sie rausspringt. Ebenso treten Menschen auch aus der Kirche aus, weil sie den Nutzen für sich nicht mehr sehen. Und ganz aktuell sichtbar, wenn beim Bürgergeld hart über das Verhältnis von Fördern und Fordern gestritten wird. Was ja einerseits richtig ist, wo wir andererseits den Eindruck nicht los werden, dass nur der, der etwas bringt, auch etwas wert ist und sei es in Form der Zahlung eines monatlichen Lebensunterhaltes. „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“, sagt Paulus an anderer Stelle (2. Thess 3,11b).
  Wie gesagt, wenn es so zu verstehen wäre, hätte man diese Geschichte nicht erzählen brauchen. Doch es geht um die Fürbitte des Gärtners. Es ist eine wohltuende Stimme, eine Stimme, nach der wir uns sehnen, wenn andere uns und unsere Leistungen beurteilen. Wenn andere uns abschreiben, nach dem Motto: „Von dem/von der kannst du eben nichts mehr erwarten.“ Dann brauchen wir die Stimme dieses Gärtners: Gib ihm/gib ihr noch ein Jahr, dass ich mich um sie/um ihn bemühe, dass ich lockere, was sich verfestigt hat und mit Nährstoffen versorge, wo keine Kraft mehr da ist.
  Gleichzeitig bleibt das Gleichnis unbequem. Es ist kein Zweifel, dass wir Menschen Frucht bringen sollen. „Es ist dir gesagt Mensch, was gut ist. Nämlich Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ So sagt es der Prophet Micha (Kap. 6,8). Wenn wir uns da als Feigenbaum verstehen und der Früchte Suchende Herrgott tritt an uns heran, da werden unsere Wurzeln womöglich schon zittern. Da wird schnell die Frage nach dem eigenen geringen Lebensertrag wach.(2)
  Der letzte Satz des Gärtners ist darum zugleich auch hart: „vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn nicht, so hau ihn um!“ „Das Evangelium spricht nicht nur für uns, es spricht auch gegen uns. Der Baum, der keine Frucht bringt, soll umgehauen werden. Wir dürfen diese Sätze nicht überlesen. Sie stehen da und bedrohen uns. Ja, man kann das Leben verspielen und seine Zeit fruchtlos vertun ["verdaddeln" würde es wohl in der Jugend­sprache heißen]. Wir können es als Einzelne, wir können es als Kirche verspielen. Gott nimmt uns und seine Kirche ernst, und so erlässt er uns nicht einfach die Folgen unserer Taten.“(2) Er belangt uns bei unseren Taten. Und das macht letztlich auch unsere Würde aus. Denn nur jemanden, den man für unzurech­nungs­fähig hält, konfrontiert man nicht mit dem, was er getan hat.
   Gleichzeitig bringt der Weinbergbesitzer Geduld auf.(3) Er ist 3 Jahre lang gekommen und hat Frucht gesucht. Ein Feigenbaum kann zweimal im Jahr Feigen tragen,(1, S.41) also ist er 6x vergeblich losgezogen. Das klingt schon mehr nach Geduld, als beim ersten Hören. Und so erzählt diese Geschichte auch von einem Gott, der auf uns eingeht, der auch auf unser Gebet und unsere Fürsprache für andere Menschen reagiert; der sich bewegen lässt vom Ruf der Fürbitte und des Gebets. Überraschenderweise ist der erste, der in diesem Gleichnis umkehrt und sein Vorhaben überdenkt, der so hart erscheinende Besitzer des Weinbergs selbst.(1, S.44) Auf die Bitte des Gärtners scheint er ja einzu­gehen: „Lass ihn noch dieses Jahr.“ Hierin kommen also beide Elemente des Buß- und Bettages vor: Die Umkehr von fruchtlosen Wegen und die Aufforderung zum Gebet, zur Fürsprache für sich und andere: O Herr, lass ihm, lass ihr, lass mir noch ein Jahr!
  Jesus erzählt diese Geschichte um ein vergessenes Menschenrecht in Erinnerung zu bringen: Wir, jeder von uns, hat „das Recht, ein anderer zu werden“(2, D.Sölle), als er gerade ist, hat das Recht, sich zum Guten zu bekehren. Damit dies möglich wird, brauchen wir den ungeschminkten Blick in den Spiegel. Erst wer seine Bedürftigkeit sieht, der weiß, was er wirklich braucht und was er erbitten muss.
   Wie gesagt, dies Gleichnis ist erzählt zu allererst wegen der Stimme des Gärtners. Die auch als Stimme von Jesus hörbar wird: „Gib ihm noch ein Jahr, vielleicht bringt er doch noch Frucht.“ Wenn alles gegen uns spricht, so spricht er doch für uns!(4, S.59)
  Ich möchte uns die gute Botschaft, die Chance, die in diesem Satz liegt, mit einer wahren Begebenheit aus der Seelsorge verdeut­lichen. Der Pfarrer Peter Bukowski hat sie geschildert. Zu ihm kam ein Mann mit Selbstmordabsichten. Da der Pfarrer dessen Leidens­geschichte kannte, die ihn so verzweifelt sein ließ, hatte Bukowski allen Grund, die Äußerungen von dem Ratsuchenden ernst ­zu ­nehmen. Zwei Aussagen kehren in dem Gespräch immer wieder. Die eine: ›Ich hab doch schon so viel versucht, jetzt reicht‘s.‹ Und die andere: ›Ich halte es nicht mehr aus, für andere nur noch eine Last zu sein, ich bin doch nur noch unnütz.‹ Peter Bukowski merkt bald, dass gutes Zureden sein Gegenüber nicht erreichen kann und so macht sich langsam eine Verzweiflung breit, weil an eine Entwicklung von anderen Perspektiven nicht zu denken ist. Auch für geistlichen Zuspruch ist sein Gegenüber merkwürdig verschlossen. Peter Bukowski gewinnt je länger je mehr den Eindruck, dass der Ratsuchende wirklich „zu“ also verschlossen ist. Und da ist zugleich die große Angst, das Gespräch zu beenden oder zu ›vertagen‹, denn er könnte ja den letzten Schritt der Verzweiflung tatsächlich tun.(5, S.57f)
   Dann geschieht folgendes:
„Ich frage mich,“ so Peter Bukowski in seiner Erinnerung, „ich frage mich wie ich auf Zeit spielen kann. Schließlich sage ich: ›wie Sie über sich reden, das klingt so wie Leute einmal im Beisein Jesu über ein Baum geredet haben, der ganz verdorrt war und keine Frucht mehr brachte. Da sagte der Besitzer: Der ist unnütz - weg damit!‹ ›Genau‹, sagt der Ratsuchende, ›weg damit!‹ (Mir scheint, er ist fast erleichtert, dass ich ihm zustimme. Sucht er das Gespräch mit mir am Ende lediglich, um sich zu beweisen, dass ihm auch ein landeskirchlicher Pastor nicht mehr helfen kann?) Ich fahre fort: ›Darauf hat Jesus gesagt: Gib ihm noch ein Jahr!‹ Ich hatte gar nicht erwartet, dass dieser Satz mein Gegenüber so stark berühren würde. Er murmelte ihn zunächst einige Male vor sich hin. Dann wiederholte er ihn laut und sagte dann zu mir: ›Ein guter Satz!‹ Ich frage ihn, was ihm daran so gut gefalle. Er antwortet, den Hinweis auf das eine Jahr fände er gut, besser als ein möglicher Befehl Jesu, ihn überhaupt stehen zu lassen: ›Ein Jahr, da kann was passieren, und wenn nichts passiert, dann ist das Ende absehbar.‹ Später frage ich ihn, ob er sich noch ein Jahr geben wolle und verabredete mich mit ihm zu einem weiteren Gespräch, in dem wir überlegen werden, wie er diese Spanne nutzen könne. Am Schluss schreibe ich ihm den besagten Satz auf eine Karte und bitte ihn, sie bei sich zu tragen.“(5, S.58) So weit Peter Bukowski.
  Und ist das nicht auch ein praktischer Vorschlag für den Buß- und Bettag?: Sich Gedanken machen, wie wir das vor uns liegende Jahr nutzen können, auch dazu IHM näher zu kommen?

Liebe Gemeinde,
hier liegt das Evangelium dieser Geschichte: Du kannst dein Leben ändern, und die Gelegenheit dazu ist jetzt. Ein Jahr klingt dafür wenig; doch wenn wir´s recht bedenken, wer von uns weiß mit letzter Sicherheit, dass er noch dies eine Jahr hat? Darum geht es im Gleichnis: Die Zeit, die uns anvertraut ist, ist Gnadenzeit, und die lasst uns nutzen. Darum erzählt Jesus diese Geschichte und tritt dabei zugleich in die Rolle des Fürsprechers: „Gib ihm noch ein Jahr, vielleicht bringt er doch noch Früchte!“ Und wenn wir fragen, was das für Früchte sein sollen, so werden das einerseits bei uns allen ganz verschiedene sein. An anderer Stelle sagt Jesus zu den Pharisäern: „Bringt rechtschaffene Werke der Buße; denkt nur nicht, dass ihr sagen könntet: Wir haben Abraham zum Vater. Gott kann Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.“(Mt 3,8f) Übertragen auf uns heißt das: „Bringt rechtschaffene Werke der Umkehr, denkt ja nicht, dass ihr sagen könntet, wir sind ja Kirchenmitglieder. Kehrt um und werdet Gottes Kinder, schlagt eure Wurzeln bei ihm.“
  Und da mag dann etwas Wunderbares geschehen. Was der Theologe Fulbert Steffensky so beschreibt: „Meine [...] Frau kam einmal nach langer Reise zurück. Wir gingen am Abend schon bei halbem Licht durch den Garten. Wir sahen das Apfelbäumchen und sie war enttäuscht, dass es kaum Äpfel trug. Ich habe in der Nacht mit unseren Kindern die Äpfel, die wir noch im Haus hatten, an den Baum gehängt. Am nächsten Morgen war meine Frau ganz entzückt über die reiche Ernte. Sie hat nicht bemerkt, dass der Baum mit Fremdäpfeln behängt war. Könnte es sein, dass Gottes gütige Augen gelegentlich mehr Früchte bei uns finden, als wir hervorgebracht haben?“(2) Und zwar um Jesu willen! Das ist unsere Hoffnung! Dass Gott durch Jesus bei uns auch dort Früchte wachsen lässt, wo wir aus eigener Kraft keine zustande bringen. Wer ihm vertraut, den schmückt Gott mit den Fremdäpfeln von Jesus selbst, den sieht Gott an, wie er Jesus ansieht.
Amen.
   Und der Friede Gottes der größer ist als alles was wir für möglich halten, der Früchte schon bei uns sieht, wo wir uns gerade erst vornehmen, welche zu bringen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.


Verwendete Literatur:
(1) Ruth Poser, Von der Umkehr oder: Wachsen lassen, was verheißen ist!, in: M. Crüsemann u.a. (Hgg.), Gott ist anders. Gleichnisse neu gelesen, Gütersloh 20202, S. 32–45. (2) Fulbert Steffensky, Vielleicht bringt er doch noch Frucht. Lukas 13,6–9, in. Ders., Der Schatz im Acker. Gespräche mit der Bibel, Stuttgart 2010, S. 58–59. (3) Wolfgang Wiefel, Das Evangelium nach Lukas, ThHK 3, Berlin 1988, S. 253. (4) Wolfhart Koeppen, Geschenkte Zeit. Bausteine für einen Gottesdienst zu Buß- und Bettag mit Lukas 13,6–9, in: Christian Schwarz (Hg.), GottesdienstPraxis. Serie B. Volkstrauertag. Buß- und Bettag. Ewigkeitssonntag, S. 56–61. (5) Peter Bukowski, Die Bibel ins Gespräch bringen. Erwägungen zu einer Grundfrage der Seelsorge, Neukirchen-Vluyn 20118,S. 57f (die Hinleitung zum Zitat wurde für die Hörer aus der 1. Person übertragen in die 3. Person).

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