Predigt zu Karfreitag 2023 über Kolosser 1,12-20
von Pfr. Gerd Krumbiegel
Liebe Gemeinde,
woran merkt man, dass Karfreitag ist? Es gibt ein paar Hinweise, die auch einen Außenstehenden darauf aufmerksam machen. Da sind die öffentlichen Medien. Im Radio werden gern kleine Umfragen geschaltet oder ein Quiz gemacht, wenn so viele Feiertage anstehen, nach dem Motto: Wissen Sie, was wir an Karfreitag feiern? – Das ist noch recht harmlos und lädt zumindest zur inhaltlichen Auseinandersetzung ein. Es gibt dann auch das andere. Ich möchte es einmal das eingeübte und „gepflegte Nichtverstehen“ nennen, oder auch das Nichtverstehen-Wollen. Da wird dann publikumswirksam alles hervorgeholt, was man zu Karfreitag nicht darf, zum Beispiel auch, welche Filme da nicht im Fernsehen laufen dürfen. Von Rasenmähen, Tanzen und Fußball einmal ganz zu schweigen. Karfreitag wird zu einem Nicht-Tag. Damit das nicht so bleibt, wäre es nun an uns, liebe Gemeinde, zu sagen, was wir Positives mit Karfreitag verbinden.
Da merken wir womöglich, ganz leicht wird das nicht. Denn was wir mit diesem Tag verbinden, ist natürlich der Weg Jesu ans Kreuz. Und das ist ja nicht eben ein einfaches Thema. Nun, hin und wieder kommt es vor, dass wir uns unter gut befreundeten Kollegen fragen: "Worüber wirst du predigen?" Und in der Frage schwingt mehr mit als die halb-beklommene Erkundigung, ob da der andere etwa schon mit seiner Predigtvorbereitung fertig ist. Gemeint ist vielmehr: Welches Wort hast du zu Karfreitag in diesem Jahr 2023 für die Menschen? – Freilich immer in der Hoffnung, dass das letztlich nicht mein eigenes Wort ist, sondern ein von Gott geschenktes. – Eine berechtigte Frage also: Worüber wirst du predigen? So gefragt habe ich meinem Amtsbruder zurückgeschrieben:
Die Frage ist ja auch, womit die Menschen jetzt zu erreichen sind. Denn man kann ja den Eindruck haben, dass mit all den Krisen und Aussichtslosigkeiten unserer Zeit ständig etwas Karfreitaghaftes in der Luft liegt. Wer möchte da zusätzlich das Leiden Jesu noch intensiv bedenken?
Natürlich ist uns als Christen deutlich, wieviel heilsames an Karfreitag für uns passiert und doch lässt sich das Leid eben nicht aussparen. Was also ist da die positive Botschaft in einer Situation, wo wir gerade kollektiv Kopf und Schultern hängen lassen? Wie soll uns da Karfreitag aufrichten können?
Umso erstaunter war ich über unseren Predigttext heute. Er verschweigt zwar das Leiden nicht, aber er bindet Jesu Geschick ein in Zusammenhänge, die alles durchwirken. Es entsteht mit Blick auf das Kreuz ein Lob-Hymnus, der den Weg Jesu besingt und uns, die wir einen solchen Herrn haben, beglückwünscht. Im Kolosser-Brief heißt es:
Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden.
Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten, auf dass er in allem der Erste sei. Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
„Dieser Hymnus ist ein einziges Loben! Keine Trauer, kein Klagen! Ein Lob überschlägt das andere!“(1, S.171) – Wenn also RTL oder ARD mal bei Ihnen anrufen und etwas zu Karfreitag wissen wollen: Diesen Text müsste man den Redaktionen unserer Fernsehsender einmal zugänglich machen; vor allem denen, die meinen, wie es gestern im Programm hieß, dass Karfreitag nur dazu da wäre „um Buße zu tun und über seine Sünden nachzudenken“(2). Ihr Medienmacher, die ihr so einseitig denkt, hört euch doch diesen Text an! „Nicht mit Traurigkeit, sondern mit Loben wird hier beschrieben, was Jesu Tod für uns bedeutet.“(1) Das sind Bilder des Lebens. Ja, es ist ein regelrechtes Liebeslied. So wie der Verliebte zur Geliebten sagt: Du bist mein Ein und Alles! So sagt dieser urchristliche Hymnus: „Jesus ist unser Ein und Alles.“(3 S.154) Ganze 8x klingt dieses „alles“ in unserem Abschnitt an.(4) So als sollte die singende Gemeinde nicht sagen: „Schläft ein Lied in allen Dingen“, sondern: seit Karfreitag, seit der Vorhang zerrissen ist, der uns von Gott trennt, „seitdem schläft und wacht Christus in allen Dingen.“ Die Natur und Schöpfung ist nicht länger ein Ort anonymer Naturgesetze, sondern in allen Dingen redet Gott dich nun väterlich an. Die Natur wird zur Schöpfung und die Schöpfung zur Anrede an dich. Du kannst Zeichen von ihm vernehmen im Rauschen des Wasserfalls, wie im Knistern des Feuers, in der blauen Stunde am Abend, genauso wie im Erwachen des Frühlingsmorgens.
Und dies alles klingt hin und findet sein Ziel im Frieden. Denn es hat Gott gefallen, alle Fülle in ihm wohnen zu lassen und durch ihn alles zu versöhnen zu ihm hin, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
Und da steht es dann doch das Kreuz und das Blut; aber eben eingebettet in den Sieg, der errungen worden ist, für dich und mich. Eingebettet in die wichtigste Wende der Weltgeschichte. Gott wendet sich uns zu durch Jesus Christus. Karfreitag, ein Grund zur Freude!
Denn von Haus aus – ich sage das jetzt einmal in der Schulsprache – von Haus aus sind wir Menschen versetzungsgefährdet. Wir wollen zwar in Gottes Neue Welt versetzt werden, aber wir merken, wie uns dafür die moralischen Kräfte und schlicht die Möglichkeiten fehlen, wir spüren, dass das, was wir leisten können, für diese Versetzung nicht genügt. Wie auch, wir scheitern ja schon an der Energiewende und an der Verkehrswende, wie sollte uns da ausgerechnet die Wende zu Gott gelingen? Darum singt nun unser Text davon, dass diese Versetzung durch Christus geschieht: Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes. Das, was wir nicht schaffen, das vollbringt ER für uns, für dich und mich.
Und was ist von unserer Seite aus nötig? Ja, auch da braucht es etwas, denn Christus zwingt diesen Frieden mit Gott niemandem auf. Wir können, wir sollen, ja wir müssen eintreten in diesen Frieden, indem wir ihn für uns gelten lassen, indem wir für uns annehmen, was Christus auf Golgatha getan hat. Dass er die Finsternis der Gottesferne getragen hat, damit es für uns wieder Licht wird. Denn, Ja, unsere Schuld hat einen großen Graben zwischen uns und Gott aufgerissen. Noch größer aber ist das, was Christus tat, die Brücke, die er mit seinem Leiden und Auferstehen zu Gott geschlagen hat.
In ihm haben wir die Erlösung, nämlich die Vergebung der Sünden. Und hat durch ihn alles versöhnt, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.
Wer dem nachsinnt, der kann nicht einstimmen in das Gequengel darüber, was Karfreitag alles verboten ist; der wird vielmehr davon singen, was uns seit Karfreitag alles offensteht, nämlich Gottes Nähe, und die ganze Ewigkeit bei ihm. Die einzig angemessene Antwort ist darum das Einstimmen in das Singen vom Sieg Christi. Und ich habe dieses Jahr ein Passionslied entdeckt, dass diese hymnische Sprache aufnimmt. Geschrieben wurde es 1938, also in dunklen Tagen, die unseren nicht unähnlich waren. Doch der Blick auf den Gekreuzigten und auf den errungenen Sieg lässt Bodelschwingh dichten und wir mögen singend und betend einstimmen: „Doch ob tausend Todesnächste / liegen über Golgatha, / ob der Hölle Lügenmächte / triumphieren fern und nah, / dennoch dringt als Überwinder / Christus durch des Sterbens Tor; / und die sonst des Todes Kinder, / führt zum Leben er empor.“ Amen.
Und der Friede Gottes, der größer ist als alles, was wir vermögen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Verwendete Literatur:
(1) Jörg Neijenhuis, Karfreitag. Kolosser 1,13-20, in: Lesepredigten, Textreihe V. Band 1. 1.Advent bis Pfingstmontag 2023, S.170-175.
(2) Carolin Kebekus in ihrer Show mit dem Namen: "Die Sünden der Kirche" https://www.ardmediathek.de/video/die-carolin-kebekus-show/die-grossen-suenden-der-kirche/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2RpZS1jYXJvbGluLWtlYmVrdXMtc2hvdy8yMDIzLTA0LTA3XzAwLTAwLU1FU1o
(Eine in ihrer Einseitigkeit auch erschütternde Satire, allerdings macht Frau Kebekus, anders als sonst, auch nicht einen mit sich selbst stimmigen oder gar leichten Eindruck. Es ist eher ein verbales Draufhauen als eine humorvolle Entwaffnung der anvisierten Gegenseite.)
(3) Gerd Theißen, Die Allgegenwart der Liebe. Ein Versuch über die kosmische Theologie des Kolosserhymnus. Kol 1,12-20, in: Ders. Protestantische Akzente. Predigten und Meditationen, Gütersloh 2008, S. 154-158.
(4) So aufmerksam gezählt und lesenswert geschrieben hat: Gerhard Engelsberger, Der Weisheit letzter Schluss, in: Pastoralblätter. Predigt. Gottesdienst. Seelsorge. Die Praxis, April 2023, S. 306-310.
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