„Gut gerüstet - Wahrheit und Gerechtigkeit“ - Themenpredigt Reihe 4, Großschönau 21.7.24
Von Pfarrer i.R. Steffen Hirsch, Großschönau
„So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit.“ Eph. 6,14
Liebe Freunde!
In mir werden Bilder aus der Trilogie „Herr der Ringe“ von J.R.Tolkien wach, die in sehr alter Zeit spielt: Ein ganzer Landstrich ist von einem brutalen übermächtigen Feind bedroht. Alle Bewohner der Dörfer und Städte, Frauen, Kinder, alte Menschen fliehen in die einzige große Festung, suchen in den sichersten Räumen der Burg Schutz.
Vor den Mauern der Festung nimmt das Heer des Aggressors Aufstellung. Dumpf und angsteinflößend schallen die wutschnaubenden Kampfrufe der Söldner herauf. Die Männer in der Burg machen sich bereit zur Verteidigung. Das Zeughaus ist geöffnet worden. Schutzbietende Ausrüstungen werden verteilt. Und da stehen sie nun, die jungen Burschen, die ergrauten Familienväter, und natürlich die kampferprobten Männer und legen ihre Rüstung an: Kettenhemd und Brustpanzer. Der Gürtel um die Hüften muß fest sitzen und gut gesichert sein, um das Schwert zu tragen. Notwendige Tätigkeiten, die ein wenig helfen, mit der eigenen Angst fertig zu werden.
Martialische Bilder – ich weiß, aber der Text der Themenpredigten impliziert auch solche Assoziationen. Gott sei Dank, müssen wir nicht bei diesen Bildern bleiben, denn es geht ja, wie der Text aus Epheser überschrieben ist, um die geistliche Waffenrüstung. In unserem Fall geht es um den Gürtel der Wahrheit und den Panzer der Gerechtigkeit. Wahrheit und Gerechtigkeit – zwei große schwerwiegende Worte. Zwei Worte, die unser menschliches Leben durchziehen, die immense Bedeutung haben, zwischenmenschliches Leben prägen und bestimmen, und die immer auch dann höchsten Stellenwert bekommen, wenn es um Krieg und Frieden geht.
In Vorbereitung dieser Predigt habe ich auch ein wenig ratlos an meinem Schreibtisch gesessen. Wo soll man anfangen und wo aufhören, über Wahrheit und Gerechtigkeit nachzudenken. Ich denke, wir können heute Morgen nur ein paar wichtige Punkte für uns anreißen. Schauen wir zunächst auf die Wahrheit:
Vielleicht kennen Sie folgende Anekdote: Zu Sokrates kam einst ein Schüler: „Höre Sokrates, ich muß dir unbedingt etwas über deinen Freund erzählen. Weißt du...“ „Moment“, sprach Sokrates. „Hast du das, was du mir erzählen willst, schon durch die drei Siebe getan?“ „Welche drei Siebe?“ fragte der Schüler. „Das Sieb der Wahrheit z.B. Ist das was du sagen willst denn wahr?“ „Nein, ich hörte nur...“ „Aha“, sagte Sokrates, „du weißt nicht, ob es wahr ist. Aber bestimmt hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, mit dem Sieb der Güte. Ist das was du mir sagen willst denn gut?“ Zögernd sagte der Schüler: „Nein, das nicht, im Gegenteil...“ „Hm! So laß uns nun das dritte Sieb anwenden: Ist es denn notwendig, mir das zu erzählen?“ „Notwendig nun gerade nicht.“ Also lächelte Sokrates: „Wenn das, was du mir sagen willst, weder notwendig, noch gut, noch wahr ist, dann belaste dich und mich nicht damit.“
Wäre es nicht großartig, wenn diese drei Siebe bei den Gesprächen zwischen uns Menschen, vor allem bei aller Kommunikation in sozialen Medien verpflichtend zur Anwendung kommen müßten? Wenn es eine Instanz gäbe, von mir aus auch Künstliche Intelligenz, die die Posts der Influencer z.B. auf Wahrheit und Notwendigkeit und Güte überprüfen würde? Wie still wäre es im WWW. Wie sollte Herr Trump z.B. seine alternativen Fakten verbreiten? Oder Herr Putin sein Geschichtsverständnis oder seine Länderkunde? Oder manche Parteien ihre populistischen Halb- oder Viertelwahrheiten? Übrigens heißt Influencer übersetzt: Beeinflusser. Ich möchte mich bitte nicht beeinflussen lassen. Aber auch so reden wir in unserem Alltag aus Verlegenheit, aus Gedankenlosigkeit, aus ungezügelten Emotionen und aus Unüberlegtheit heraus viel zu viel, was nicht durch die drei sokratischen Siebe geht. „Erst denken, dann reden!“ Diesen Satz von Immanuel Kant möchte ich mir immer wieder hinter den Spiegel stecken.
Ein zweiter Punkt könnte die Frage sein, warum es Wahrheit im Bewußtsein der Menschen so schwer hat. Warum Wahrheiten verdrängt werden. Warum Mann und Frau sich lieber in Scheinwahrheiten flüchten, die Realität lieber verändert oder beschönigt wahrnehmen, als sie in Wahrheit ist? Wie bei so vielen Problemen im menschlichen Leben steckt auch dahinter, so glaube ich, die Angst. Die Angst vor Neuem und Unbekanntem, die Angst vor Unbequemem und Schmerzhaftem und Herausforderndem. Wer einmal eine Ausbildung zum Begleiter oder zur Seelsorgerin gemacht hat, weiß, daß Wahrheiten auch wehtun können. Bei der Selbsterfahrung in solchen Kursen, also in Gruppen- und Einzelgesprächen, wo in dem geschützten Raum der Ausbildung tiefste und ureigenste Erfahrungen und Gefühle zur Sprache gebracht werden, findet man selber, oder mit Hilfe der Anderen, oft zu Erkenntnissen und Wahrheiten, deren man sich davor nicht bewußt war. Dabei fließt auch manche Träne, weil eben Erkenntnis und Wahrheit auch sehr wehtun kann.
Es sind nicht viele, die sich solcher Selbsterfahrung aussetzen, denn das macht Angst. Wie auch diese Zeit, unsere Gegenwart, Angst machen kann. Wir müssen es nicht beschreiben. Wir alle wissen, wie gerade alles zerbröselt, Gewißheiten schwinden, Ratlosigkeit und Unsicherheit zunehmen. Wir verstehen so vieles nicht mehr, verstehen oft nicht, warum die großen Akteure des Weltgeschehens dieses tun und manch` Selbstverständliches lassen. Sollte es in dem großen Amerika wirklich keine Andere oder keinen Anderen geben, der den armen Herrn Biden ersetzen kann? (Das ist ja, Gott sei Dank, in der Zwischenzeit geschehen.)
Das alles macht Angst. Da war doch früher vieles besser. So grau und verfallen waren doch die Häuser in der DDR gar nicht. Satt geworden sind wir doch. Und die Freundlichkeit und Herzenswärme, die es da gab. Wer so redet, den würde ich gerne an die Hand nehmen und mit ihm durch die Zittauer oder Bautz`ner Innenstadt gehen, im Jahre 1987, die Fassaden betrachtend, die Luft tief einatmend, und dann in einen Konsum, und an einem Freitag nach Schnittkäse fragen, und dann den empörten verächtlichen Blick der Verkäuferin sehen, wie wir uns erdreisten können, sie mit einer solchen Frage zu belästigen. Früher war vieles besser!? Und das, was da zwischen 1933 und 1945 geschehen ist, so schlimm war das gar nicht. Das wird immer übertrieben. Damit sollte man aufhören. Damals herrschte wenigstens noch Zucht und Ordnung.
Liebe Freunde! Es ist heute in unserer Gegenwart wirklich vieles „zum in die Tischkante beißen“. Gemeinsam schütteln wir unsere Köpfe und sind besorgt. Aber dennoch, Wahrheit muß wahr bleiben. Und die Flucht in die Verklärung der Vergangenheit oder in die Geschichtsvergessenheit ist nicht nur nicht hilfreich, sondern auch gefährlich. Angst ist meist ein schlechter Ratgeber und hilft nicht, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen. Aber weil wir Menschen eben so sind, wie wir sind, und weil diese Welt im Grunde nie wirklich ganz anders war, deshalb hat Jesus schon damals gesagt: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Und er stößt mit diesen Worten, damals für seine Freunde und heute für uns, eine Tür auf. Eine Tür, die einen weiten Blick zuläßt. Einen Blick, der über diese Welt mit ihren Spielregeln und Problemen hinaus reicht. Einen Blick, der uns fühlen und erahnen läßt, daß es mehr gibt, als das, was uns sorgenvoll und ratlos sein läßt. Bei allem und trotz allem, was wir nicht verstehen und was uns umtreibt, gibt es einen tiefen und letzten Sinn, in der Geschichte dieser Welt und im Leben eines Menschen, gibt es hinter allem eine Kraft, die wir Gott nennen, Gott, den wir gütig und liebevoll erfahren können. Gott, der uns in Jesus von Nazareth einen unüberbietbaren Maßstab für das Handeln in unserem Leben gegeben hat. Deshalb empfinden wir die vielen Ungerechtigkeiten auf unserer Erde auch so schmerzhaft und haben Sehnsucht nach Gerechtigkeit:
Das zweite große Wort unseres Textes. Wir möchten, daß es gerechter zugeht in der Welt. Aber natürlich wissen wir zugleich auf der einen Seite um unsere Möglichkeiten, unser Vermögen, Gerechtigkeit zu schaffen, und auf der anderen Seite um unsere Grenzen, unser Unvermögen. Wir sind und bleiben kleine Menschen und können nur immer wieder Gott bitten, verstockte Herzen zum Frieden hin zu bewegen, der Weisheit und Vernunft in der Welt Raum zu bieten, und der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Dennoch dürfen und sollen wir Gottes Werkzeuge und Mithelfer sein. Dürfen und sollen wir Salz der Erde und Licht auf dem Leuchter sein, wie es das heutige Evangelium sagt. Dürfen wir immer wieder und immer wieder neu mutige und menschliche Menschen sein, in unserem kleinen, aber so wichtigen Leben, in unserem Alltag. Und der Verfasser des Epheserbriefes ermutigt uns ja genau dazu. Mit dem Bild der Rüstung, mit dem Panzer der Gerechtigkeit und dem Gürtel der Wahrheit, ermutigt er, standzuhalten, in dieser verrückten Zeit, und fest zu bleiben im Glauben, im Vertrauen auf Gott. Im Vertrauen auf Güte und Liebe. So wie die Verteidiger der Festung in J.R. Tolkiens fantastischer Geschichte standhalten und vertrauen, und damit, ganz am Ende, dem Guten zum Sieg verhelfen.
Amen.
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